Zunehmende Anstrengungen der Bevölkerung im Kampf gegen COVID-19 trotz erhöhter Frustration gegenüber der Regierung

Forscher am Institut für psychologische Forschung an der SFU Berlin haben im Rahmen des vom BMBF geförderten Viral Communication-Projekts eine vergleichende Analyse zweier versetzter Befragungen (November / Dezember 2020 und März 2021) durchgeführt. Die Forschungsergebnisse zeigen, wie sich Einstellungen und Verhaltensweisen der deutschen Bevölkerung im Verlauf der COVID-19-Pandemie verändert haben:

  1. Die Menschen in Deutschland sind mittlerweile weniger von der Wirksamkeit bestimmter freiwilliger Maßnahmen überzeugt (z.B. die Einhaltung von Abständen, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und der Verwendung der Corona-Warn-App).
  2. Wut über die COVID-19-Vorschriften hat stark zugenommen.
  3. Trotz der vorherigen Punkte hat der Anteil derer, die freiwillige Maßnahmen regelmäßig einhalten, zugenommen (darunter fällt z.B. die Vermeidung von Menschen und überfüllten Räumen, die Einhaltung von Abständen und das Händewaschen/-desinfizieren).
  4. Das Vertrauen der Bevölkerung in politische Akteure (z.B. Jens Spahn, Angela Merkel) hat abgenommen
  5. Die COVID-19-Impfbereitschaft hat zugenommen, wobei diese teils davon abhängt, a) welches Vakzin angeboten wird und b) ob einem die nationale Herkunft des Impfstoffs bekannt ist oder nicht.

 

Sich ändernde Ansichten und Verhaltensweisen zur Bekämpfung von COVID-19

Die meisten freiwilligen COVID-19-Maßnahmen werden überwiegend als wirksam eingestuft. Allerdings ist die wahrgenommene Wirksamkeit einiger Maßnahmen seit November / Dezember 2020 größtenteils zurückgegangen. Der größte Unterschied wurde bei der „Verwendung der Corona-Warn-App“ beobachtet, mit einer erheblichen Zunahme von Menschen, die diese Maßnahme als „Überhaupt nicht effektiv“ empfinden (von 22% auf 39%).

Trotz dieser Beobachtungen lässt sich eine allgemeine Tendenz erkennen, freiwillige COVID-19-Maßnahmen nun häufiger zu befolgen als noch Ende 2020. Dies gilt insbesondere für die „Vermeidung überfüllter Innenräume“ – der Anteil der Personen, die dies „Immer“ machen hat stark zugenommen (von 32% auf 58%).

 

Bedenken und Frustrationen angesichts der andauernden Pandemie

Menschen in Deutschland waren im März 2021 etwas weniger über ihre eigene finanzielle Situation besorgt als noch Ende 2020 (von 44% auf 34%). Die Angst, andere mit dem Coronavirus zu infizieren, stieg jedoch leicht an (von 63% auf 72%). In Bezug auf die Maßnahmen lässt sich eine steigende Frustration der deutschen Bevölkerung erkennen. Der Anteil der Personen, die der Aussage, dass „Die Corona-Maßnahmen [sie] wütend [machen]“ neutral gegenüber sind oder zustimmen stieg von 34% auf 60%. Diese Ergebnisse weisen auf ein zunehmendes Unverständnis in Bezug auf die Handhabung der Situation hin, welches zusätzlich von der Befürwortung strengerer Maßnahmen durch die Mehrheit der Bevölkerung (36%) bestätigt wird, wie der jüngste ZDF-Politbarometer zeigt. In diesem Zusammenhang wurde die „Rückkehr zur Normalität“ im Gegensatz zum „[Schützen von] Menschen vor Gefahr“ im März 2021 als wichtiger wahrgenommen. Während Ende 2020 28% der Bevölkerung die “Rückkehr zur Normalität” priorisierten, waren es im März 2021 bereits 35%. In diesen Zahlen lässt auch die in der letzten Zeit häufig beschriebene “Müdigkeit” der Bevölkerung wiedererkennen.

Diese Frustration wird durch einen erheblichen Vertrauensverlust, vor allem in politische Akteure ergänzt. Das Vertrauen der Öffentlichkeit sank gegenüber dem Bundesministerium für Gesundheit (von 68% auf 52%), der jeweiligen Landesregierung (von 64% auf 53%) und in hohem Maße gegenüber Gesundheitsminister Jens Spahn (von 63% auf 37%) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (von 76% auf 64%). Das Robert-Koch-Institut als Regierungsbehörde hat ebenfalls etwas an Misstrauen gewonnen (16% bis 23%).

 

Gestiegene Impfbereitschaft

Angesichts der Frustration, ist es kaum überraschend, dass mehr Hoffnung auf die Impfung gesetzt wird. Im Vergleich zu November / Dezember 2020, ist der Anteil der Bevölkerung, der eine verpflichtende Impfung befürwortet von 48% auf 55% im März 2021 gestiegen. Ein besonders starker Anstieg wurde bei der freiwilligen Impfbereitschaft beobachtet – diese stieg im gleichen Zeitraum um 15% (von 61% auf 76%).

 

Impfbereitschaft abhängig vom Impfstoffhersteller und der Nennung der nationalen Herkunft des Impfstoffs

Die mit Abstand höchste Impfbereitschaft lässt sich für die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer (98%) und Moderna (86%) erkennen. Unter den bereits verwendeten Impfstoffen schneidet der Impfstoff von AstraZeneca mit einer Impfbereitschaft von 54% am schlechtesten ab. Die im Gegensatz sehr hohen Zustimmungswerte für die BioNTech/Pfizer und Moderna Impfung lassen darauf schließen, dass die öffentliche Diskussion sich weg von der Frage “Impfung ja oder nein?” und hin zur Frage “Welcher Impfstoff?” verschoben hat.

Mit Hilfe eines experimentellen Settings vor dem vorübergehenden Stopp und der Neubewertung des AstraZeneca-Impfstoffs konnten in der jüngsten Befragung erkennen, dass die Nennung der nationalen Herkunft des Impfstoffs einen entscheidenden Unterschied machte. Alle COVID-19-Impfstoffe, mit Ausnahme von Sputnik V verzeichneten einen signifikanten Unterschied in der Impfbereitschaft gegenüber der Kontrollgruppe, wenn die nationale Herkunft explizit angegeben wurde.

Die Impfbereitschaft wurde um 1% auf 99% maximiert, wenn die nationale Herkunft für BioNTech / Pfizer mit „Deutschland“ angegeben wurde. Bei Moderna fiel sie um 3%, wenn ihr US-amerikanischer Ursprung erwähnt wurde. Bei Johnson & Johnson stieg die Bereitschaft um ganze 22%. Die Impfbereitschaft für Curevac stieg bei der Angabe der deutschen Herkunft um 8%, und die Bereitschaft, sich mit AstraZeneca impfen zu lassen, erhöhte sich bei Angabe der britisch-schwedischen Herkunft um 15%. Sinovac verzeichnete bei Nennung der chinesischen Herkunft die stärkste Abnahme der Impfbereitschaft um ganze 13%. Die Ergebnisse zeigen, dass eine explizite Verbindung des Impfstoffs mit seiner nationalen Herkunft die Impfbereitschaft deutlich erhöhen oder verringern kann.

 

Über die Studie

Im Rahmen des Viral Communication-Projekts wurden vom 31. Oktober bis 14. Dezember 2020 und vom 02. bis 22. März 2021 nationale Befragungen in Deutschland durchgeführt. Bei der Primärerhebung wurde eine geschichtete Zufallsstichprobe verwendet, um die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren genau widerzuspiegeln. Die Befragten konnten sich für die Teilnahme an zukünftigen Befragungen entscheiden. Die Gesamtzahl der Befragten, die an beiden Umfragen teilnahmen, war N = 402. Die Daten wurden mittels soziodemographische Verteilungen nach dem letzten Zensus gewichtet.
Die vergleichende Analyse umfasste Wilcoxon-Signed-Rank-Tests, um signifikante Unterschiede zwischen beiden Messungen bei α = 0,05 zu identifizieren. Das Eta-Quadrat zeigte die Effektgröße an; klein (0,01), mittel (0,06) und groß (0,14). Die Effektgrößen wurden nur bei signifikanten Unterschieden angegeben.
Im Text wurden nur Anteile aus signifikant unterschiedlichen Verteilungen angegeben. Die Prozentsätze in allen Abschnitten außer im letzten Abschnitt unterlagen einer maximalen Fehlerquote von ± 5% bei einem Konfidenzniveau von 95%. Die maximale Fehlerquote für Prozentsätze im letzten Abschnitt betrug ± 12% – ebenfalls bei einem Konfidenzniveau von 95%.